Hintergrund
In vielen Kliniken und Pflegeeinrichtungen gibt es einen Mangel an qualifizierten Pflegefachpersonen. Daher wird auf Leiharbeit zurückgegriffen, um den Personalmangel zu kompensieren und die Versorgung der Pflegebedürftigen sicherzustellen. Besonders attraktiv macht die Leiharbeit ihre Flexibilität. So können Leiharbeiter:innen kurzfristig ein- und abbestellt werden.
Leiharbeit in der Pflege hat jedoch viele schwerwiegende Folgen. Diese betreffen vor allem das Stammpersonal sowie die Versorgung von Patient:innen. Aber auch die Unternehmen begeben sich in Abhängigkeiten, die kaum zu beherrschen sind und die damit die Herausforderungen, welche durch Leiharbeit entstehen, weiter vergrößern.
In diesem Positionspapier werden daher Argumente zur Reduzierung der Leiharbeit hervorgebracht.
Risiken der Leiharbeit
Mangelnde Kontinuität und Bindung zum Arbeitsplatz
Leiharbeitskräfte sind oft nur für begrenzte Zeiträume im Einsatz und wechseln häufiger den Arbeitsplatz. Das kann zu einer mangelnden Kontinuität in der Pflege führen und dazu beitragen, dass Patient:innen sich unsicher und unwohl fühlen. Außerdem können Leiharbeitskräfte weniger Bindung zum Arbeitsplatz und weniger Identifikation zu den Pflegeteams und den Pflegebedürftigen haben.
Geringere Qualität der Pflege
Leiharbeitnehmer:innen haben oft weniger Erfahrung und sind möglicherweise nicht so gut auf die Bedürfnisse der Patient:innen eingestellt wie das Stammpersonal. Das kann sich negativ auf die Qualität der Pflege auswirken und zu gesundheitlichen Risiken und Unzufriedenheit der Pflegebedürftigen führen.
Belastung des Stammpersonals
Das Stammpersonal muss oft zusätzliche Arbeit leisten, um die Lücken zu füllen, die durch den Einsatz von Leiharbeitskräften entstehen. Das kann zu Überlastung, Stress und Burnout führen und die Arbeitszufriedenheit und Motivation des Stammpersonals beeinträchtigen. Zudem sind Leiharbeitskräfte weniger vertraut mit den spezifischen Verfahren, Routinen und Protokollen des Arbeitgebers. Dies stellt gerade beim Übergabeprozess häufig eine zusätzliche Herausforderung für das Stammpersonal dar.
Schwächung des Berufsbildes
Durch den Einsatz von Leiharbeitnehmer:innen wird das Bild unserer Berufsgruppe geschwächt. Es entsteht der Eindruck, dass gute und bedarfsgerechte Pflege losgelöst von einer hochindividuellen Beziehung zwischen Patient:innen und Pflegefachpersonen durchgeführt werden kann. Diese Fehleinschätzung führt im Praxisfeld der Pflege zu erheblichen Schäden bei den Pflegeempfänger:innen, da eine individuelle Betrachtungsperspektive insbesondere bei kurzen Leiharbeitseinsätzen so nicht ausreichend gewährleistet werden kann.
Ökonomisierung des Gesundheits- und Pflegesystems
Leiharbeit ist ein Symptom für eine sich kontinuierlich verschlechternde Versorgungssituation, gepaart mit individuell schlechten Rahmenbedingungen, denen sich Leiharbeitskräfte vor ihrem Wechsel in die Leiharbeit ausgesetzt gefühlt haben. Wir können daher die Kolleg:innen verstehen, die diesen eröffneten Weg gehen. Ursächlich kam sie zustande, da Unternehmen unter wirtschaftlichen Perspektiven die Leiharbeit groß gemacht haben und somit an der Verschwendung von Mitteln unserer Sozialversicherungssysteme federführend beteiligt sind. Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz möchte betonen, dass jede Form der Ökonomisierung und Gewinnmaximierung des Gesundheits- und Sozialwesens eine Bedrohung für die Gesellschaft ist.
Maßnahmen
Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz plädiert zur Eindämmung der Leiharbeit für folgende Maßnahmen:
Verbesserung der Personalausstattung: Mehr qualifiziertes Personal und eine angemessene Arbeitsbelastung können dazu beitragen, dass das Personal in der Pflegebranche bleibt und nicht zu Leiharbeitsfirmen wechselt. Dafür ist unter anderem die Etablierung eines wissenschaftlich fundierten Personalbemessungsinstrumentes unerlässlich.
Ausbildungsoffensive: Eine Ausbildungsoffensive für Pflegefachpersonen kann dazu beitragen, den Mangel an qualifiziertem Personal zu beheben und die Abhängigkeit von Leiharbeitsfirmen zu verringern. Daneben bedarf es einer umfassenden Unterstützung derjenigen Personen, die sich in Ausbildung befinden. So etwa durch Schulsozialarbeit oder zusätzliche Lernunterstützung, damit diese auch in möglichst großer Zahl das Ausbildungsziel erreichen.
Mitarbeitende des Stammpersonals belohnen: Neben einer insgesamt besseren Vergütung für alle Pflegefachpersonen muss zukünftig Betriebszugehörigkeit und Flexibilität deutlich mehr als bisher belohnt werden. Gerade Stammpersonal ist ein wesentlicher Garant für die Aufrechterhaltung einer einigermaßen sicheren Pflegeversorgung. Daher muss es zukünftig deutliche Zuschläge – vor allem für das Einspringen und für Wechselschichten - geben.
Flexibilität: Eine höhere Flexibilität im Arbeitszeitmodell, wie beispielsweise Teilzeitmöglichkeiten oder ein Job-Sharing-Modell, könnte gepaart mit der Reduktion finanzieller Einbußen dazu beitragen, den Bedürfnissen des Pflegepersonals besser gerecht zu werden und sie längerfristig an die Branche zu binden. Hierzu sind Modelle - wie etwa die Viertagewoche - zu prüfen und entsprechend in Modellprojekten umzusetzen.
Kooperationen: Eine engere Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Einrichtungen und Trägern könnte dazu beitragen, die Personalressourcen besser auszuschöpfen und den
Bedarf an Leiharbeitskräften zu reduzieren. Einrichtungsbezogene oder auch einrichtungsübergreifende regionale Springerpools (Flexpools) stellen hierfür eine geeignete Möglichkeit dar. Dafür sollte eine deutliche Honorierung der Flexibilität sichergestellt werden.
Personalbindung: Eine gezielte Personalbindung von qualifiziertem Pflegepersonal durch Maßnahmen wie regelmäßige Weiterbildungsangebote, Förderung von Aufstiegsmöglichkeiten und Mitarbeiterbindungsinstrumente können dazu beitragen, die Fluktuation zu senken und damit den Bedarf an Leiharbeitern zu reduzieren.
Umstellung von Dienstplänen: Derzeit übernimmt vor allem das Stammpersonal unliebsame Dienstzeiten. Eine geeignete Maßnahme wäre daher, Zeitarbeitsfirmen dazu zu verpflichten, mit ihren Kräften ebenfalls diese Arbeitszeiten abzudecken. Dem willkürlichen Abgeben von unliebsamen Arbeitszeiten an das Stammpersonal sollte ein Riegel vorgeschoben werden.
Übergabeprozess optimieren: Schlecht informiertes Pflegepersonal ist nachweislich für eine erhebliche Steigerung von Versorgungsrisiken verantwortlich und sollte daher nicht zum Einsatz kommen. Es ist sicherzustellen, dass Leiharbeitskräfte einerseits die Struktur der Einrichtung (unter anderem wichtige Ansprechpartner im Notfall) und des jeweiligen Versorgungsbereichs (Wohnbereich, Station und weitere) kennen.
Sie müssen wissen, wo im Notfall entsprechende Materialien entnommen werden können. Daneben muss eine umfassende sowie nachvollziehbare Übergabe der Pflegeempfänger:innen erfolgen. Bereits im Vorfeld sollten Bewohner:innen und Patient:innen persönlich in Augenschein genommen werden, so etwa im Rahmen einer Visite. Beim Einsatz von Leiharbeitenden muss diese nicht zu unterschätzende Zeitressource entsprechend mit eingeplant werden. Diese sollte daher gesetzlich entsprechend vorgeschrieben sein.
Regulierung der Leiharbeitsanbieter: Es muss sichergestellt werden, dass Anbieter von Leiharbeitsdienstleistungen nach einem noch festzulegenden Zertifizierungsverfahren akkreditiert werden. Zusätzlich sollten alle bei den Leiharbeitsfirmen beschäftigen Personen in einem Register erfasst werden. In Bundesländern mit vorhandener Pflegekammer wird das Register bei dieser geführt, während in anderen Bundesländern entsprechende Stellen dafür bestimmt werden sollten.
Reform bei Abrechnung: Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eingebrachte Initiative zur Reduzierung der Leiharbeit ist zu begrüßen. Die Landespflegekammer unterstützt vor allem die neuen Abrechnungsmodelle, nach denen die über die tarifliche Vergütung hinausgehenden Mehrkosten für Leiharbeit sowie die Vermittlungsgebühren und vor allem die Gewinne der Vermittlerfirmen nicht mehr über die Pflegekassen abgerechnet werden sollen.
Fazit
Die Reduzierung der Leiharbeit in der Pflege kann dazu beitragen, die Kontinuität und Qualität der Pflege zu verbessern, das Berufsbild der Pflegefachpersonen zu stärken und langfristig Kosten zu sparen. Wir empfehlen daher, den Einsatz von Leiharbeit in der Pflege mit denen von uns empfohlenen Maßnahmen zu reduzieren und wieder verstärkt und insbesondere nachhaltig auf das Stammpersonal zu setzen.